Einführung

»In einer Zeit, da Handwerk und Ethos des Handwerkers in der Buchherstellung durch eine immer mehr zunehmende Industrialisierung und Verwahrlosung gleichermaßen Schaden genommen haben, versucht die 1979 gegründete Privatpresse The Bear Press technisch und künstlerisch zu einem höchstmöglichen Grad der Vollendung ihrer Druckwerke vorzudringen. Aus diesem Grunde wird – entgegen allen Zeitströmungen – radikal das Prinzip der Handarbeit verfolgt. The Bear Press hat darum nicht im eiligen Fabrikationstempo Werk auf Werk gehäuft, nicht im unablässigen Lauern auf Nebenbuhler jeglichen Ranges in der Zahl und Schnelligkeit der Veröffentlichungen die Spitze zu halten gesucht – bislang erschien lediglich ein Buch im Jahr –, sondern sich einem einmal erwählten druckkünstlerischen Motiv mit all jener Geduld und jenem Fleiß hingegeben, die von einer allein auf das Sachliche gerichteten künstlerischen Gesinnung unzertrennlich sind. The Bear Press hat deshalb nicht viele Werke aus ihrem Arbeitsprozeß entlassen, sondern nur an ganz wenigen Auserlesenheiten der Weltliteratur ihre bildende und künstlerische Kraft kundgegeben.« So der Beginn einer Selbstdarstellung der Presse. Ihr Anliegen und ihr Anspruch thematisieren die Suche nach dem Schönen, dessen Realisierung durch den harmonischen Zusammenklang von literarischem Gehalt, geistiger Durchdringung und künstlerischer Ausformung in jeder Edition aufs neue erstrebt wird.

Zur Erfüllung dieser Programmatik ist Wolfram Benda von Haus aus bestens gerüstet: als Literaturwissenschaftler sowie Herausgeber einer großen philosophischen Gesamtausgabe (Lord Shaftesburys Werke und Briefe) verfügt er über die Fähigkeit, literarische Ausgrabungen zu machen und diese wissenschaftlich zu edieren. Zu seinem selbsterhobenen Anspruch gehört ferner die prinzipielle Neuübersetzung von fremdsprachigen Texten. Darüber hinaus ist jeder Edition ein erläuterndes die Erkenntnisse der neueren Forschung berücksichtigendes Nachwort beigegeben, welches den Zugang zum Text erleichtern soll. Gerade die kompromißlose Umsetzung dieses Konzepts fand nicht nur bei Freunden und Kunden Anklang, sondern auch bei drei renommierten Verlagen, die sich entschlossen, komplette Editionen der Bear Press als Lizenzausgaben zu übernehmen (Winkler/dtv/otto müller).

Neben der geistigen Durchdringung der Materie charakterisiert die Presse eine buchkünstlerische Exklusivität in Idee und Ausführung. Unter Wahrung der überlieferten Forderungen an eine vorbildliche Leistung hat sich The Bear Press dem Buch verschrieben: Broschuren oder Hefte gibt es bei Benda nicht; er liefert nur Bücher in festen Handeinbänden (Halbleder oder Halbpergament) aus, wobei sogar die aufwendige Technik des Franzbandes (Heftung auf echte Bünde) Verwendung findet. Die Gestaltung der Einbände hat sich im Laufe der letzten Jahre vom klassischen Vorbild gelöst – ohne dieses zu verwerfen – und strebt einer neuen, der Moderne angemessenen kühlen Eleganz entgegen, was sich im zunehmenden Verzicht auf Ornament- und Goldprägung niederschlägt.

Der literarische Text soll als Ausdruck der individuellen Autorpersönlichkeit und -intention in einer ihm angemessenen Schrift präsentiert werden. Die Wahl der Type beinhaltet zudem weitreichende technische Implikationen: Schriftgröße, Durchschuß, Satzspiegelgröße, Druckfarbe und nicht zuletzt die Buchproportionen konstituieren – analog zur Architektur – den Bau des Werkes. Wolfram Benda ist sich dieser wohl allgemein anerkannten Postulate bewußt und versucht ihnen in der typographischen Gestaltung Rechnung zu tragen. Daher ähnelt keines seiner Bücher dem anderen, ohne daß sich allerdings die Handschrift des Verlegers nicht wie ein Ariadnefaden durch alle Editionen zöge. Selbst wenn, was gelegentlich vorkommt, dasselbe Papier und dasselbe Format gewählt werden, besitzt dennoch jede Ausgabe den Status des Individuellen und Originären. Wolfram Benda hat für jedes seiner Bücher eine andere, dem Charakter des Textes und dem Duktus der Sprache angemessene Schrift gewählt und in der Wahl seiner Formate und Papiere, die fast ausschließlich wertvolle Handpapiere wie Torinoko Kozu Japan, Richard de Bas- oder Barcham Green Bütten sind, eine beachtliche Bandbreite bewiesen. Daß für die Einbandmaterialien nur hochwertigste Ledersorten und Pergamente berücksichtigt wurden, liegt bei dem Anspruch der Presse auf der Hand.

Essentieller Bestandteil der Idee vom schönen Buch sind die in verschiedenen originalgraphischen Techniken ausgeführten Illustrationen. Mit sicherem Gespür gelang es dem Verleger, dem erwählten Text den geeigneten Illustrator und die angemessene Technik zuzuordnen.

Ihren buchkünstlerischen Kosmos erweitert hat The Bear Press vor einigen Jahren durch die Etablierung von zwei an ein breiteres Publikum gerichteten Reihen: Die Einblattdrucke basieren auf derselben Konzeption wie die Pressendrucke, nur daß es sich ausschließlich um kürzere Texte unterschiedlicher Provenienz handelt, die von jeweils einer Originalgraphik begleitet werden (Auflage 120 Expl.). – Die Sonderdrucke bieten nach bibliophilen Kriterien gestaltete und hergestellte Editionen wertvoller, oft vergessener literarischer und philosophischer Texte in einer höheren Auflage (500 Expl.). Wenn auch nicht immer von Hand gesetzt, ist doch Bleisatz Grundbedingung; die nicht weniger liebevoll und sorgfältig betreuten Pappbände werden zumeist maschinell gebunden.


Rolf Reinhard Kniese, »Illustration 63«.